Sonntag, 23. November 2008

Meister Nadelöhr lebt in der Post

Eigentlich wollte ich heute über ein anderes Thema schreiben. Eines, was mir seit einer Woche unter den Nägeln brennt. Aber an diesem Sonntag drängte sich ein anderer Punkt mit aller Macht in den Vordergrund, daß es mir unmöglich ist diesen zu übergehen.
Ich war auf der Post. Welch banales Ereignis, nicht wahr?
Aber es ist wie es ist, die russische Post ist eben nicht banal, nein, sie ist sehr banal.
Sie ist so einfach und altmodisch gestrickt, daß ich mir wie in einem Sketch von Herricht & Preil vorkam.
Meine Kollegin hatte ein paar Päckchen für russische Verwandte und ein paar Briefchen für deutsche Bekannte und Verwandte aufzugeben. Und bevor diese Dinge in irgendeinem Briefkasten vergammeln, haben wir sie eben zur Zentralen Post, direkt neben Lenin, getragen.
Rein durch den unübersehbaren Haupteingang, ab zum Schalter 10, da saß eine unbeschäftigte Dienstleisterin.
"Hallo, wir möchten gern Päckchen und Briefe verschicken."
Schalter 10:"Na dann gehen sie mal zum Schalter 5"
"Hallo, wir möchten gern Päckchen und Briefe verschicken"
Schalter 5: "Für Päckchen müssen sie raus und die nächste Tür wieder rein zur Packetannahmestelle"

Wir wechseln die Räumlichkeiten.
Die Packetannahmestelle ist noch nicht renoviert worden nach dem großen Vaterländischen Krieg. Zwar stehen PC´s drin, aber das ist auch schon alles.
Drei Frauen versuchen den vorweihnachtlichen Paketverkehr zu bearbeiten und tun dies mit Leim, Siegelwachs und Nadel und Faden.
Wozu? Der Leim dient natürlich zum Verkleistern der Kartons, Nadel und Faden bzw. eine Nähmaschine werden zum Zunähen der Post-Jutesäcke genutzt, in welche jedes!!! Frachtgut gezwängt wird und der Siegelwachs wird auf einem kleinen Stövchen von 1950 heiß gehalten, um die Nähte der Säcke zuverlässig gegen unerlaubtes Öffnen zu schützen. (als ob der KGB nicht auch Wachs und Siegel hätte...vielleicht aber kein Stövchen, wer weiß)
Die Kunden stehen alle brav in einer Schlange und Neuankömmlinge fragen immer ganz anständig, wer der Letzte sei, um sich brav hinten einzureihen. (das ist hier überall üblich, ausser an Supermarktkassen)
Nachdem meine Kollegin sämtliche Formulare ausgefüllt, das Päckchen gut vernäht und sogar die Passnummer auf dem Adressformular eingetragen war, fragten wir nach den Briefen.
Also für die Briefe müssen sie in die andere Poststelle nebenan, war die Aussage.

Wir wechseln wieder die Räumlichkeiten und wenden uns gleich an Schalter 5.
"Hallo, wir möchten diese Briefe nach Deutschland schicken"
Schalter 5 (nach dem Wiegen): "Die kosten 19,30 Rubel das Stück. Briefmarken bekommen sie am Schalter 1."
"Danke für die Auskunft"
Schalter 1:"Das kostet 19,30 Rubel das Stück."
Gekauft.
"Und wie ist es mit Luftfracht? Was kostet das?"
Schalter 1: "Das weiß ich nicht, da müssen sie nochmal nachfragen."
"Danke für die Briefmarken."
"Was kostet denn Luftfracht nach Deutschland?"
Schalter 4 (Schalter 5 war besetzt wegen einer Auskunft):"Das kostet pro Brief 3,20 Rubel. Die Marken erhalten Sie an Schalter 1."
"Danke für die Auskunft"
Schalter 1:"Das macht dann 3,20 Rubel pro Brief und hier ist der Leim zum aufkleben."

Also summasummarum waren wir 1,5 Stunden in der Post für ein Päckchen und ein paar Briefe.
Und nach diesem Erlebnis kann ich mit Recht behaupten, daß die Deutschen in Sachen Post auf sehr hohem Niveau jammern. Denn nichts ist anstrengender 20 Briefmarken mit der Zunge zu befeuchten. Gelobt seien die elektronisch erstellten selbstklebenden Briefmarken!! Denn diese Briefe nach Deutschland tragen jetzt jeweils 7 kleine bunte Bildchen auf ihrer Brust.
Schön bunt, klar, und für Briefmarkensammler sicherlich ein Highlight. Aber der Weg ist ja bekanntlich das Ziel und dieser Weg war eindeutig zu weit!
Aber einen Eintrag im Blog wert! :-)

Ich wünsche euch eine schöne letzte Woche vor dem großen Weihnachtsendspurt.
Genießt die Weihnachtsmärkte und Glühweinstände! Ihr glaubt gar nicht, wie sehr man sowas vermissen kann. Ich weiß diesen Weihnachtsrummel jetzt noch mehr zu schätzen und zünd mir gleich eine Kerze an.

liebe Grüße aus Sibirien!
Claudi (Kai kommt nächste Woche wieder)

Sonntag, 16. November 2008

Pirouettenkünstler

Die Russen sind ja bekanntlich in vielem ganz groß. Zum einen gilt das für die Fläche ihres Landes, zum anderen für diverse menschliche Eigenschaften. Wodka trinken, Schminke auftragen, zeitig heiraten...das sind nur 3 Dinge von vielen, die mir jetzt einfallen.
Im Sport allerdings ragen sie besonders heraus. Früher dominierten sie nahezu alle möglichen anstrengenden Bewegungsarten, heute sind es ein paar weniger, aber dafür sind sie auf diesen Gebieten besonders gut.
Gerade jetzt, in der kalten Jahreszeit mit Schnee und Eis, treten unter anderem die Eiskunstläufer in den Eishallen der Welt an, um die Kronen und Krönchen für die Besten der Besten zu ertanzen.
Das können die Russen, das ist nun mal bewiesen.
Sie drehen Pirouetten, springen Salchow und Toeloop, Rittberger und Lutz. Sie tanzen zu Rock genauso wie zu Klassik. Sie schweben übers Eis als würden sie die Schuhe niemals ausziehen.
Manch russisches Mädchen wird anscheinend schon mit Schlittschuhen geboren (autsch) und von ehrgeizigen Muttis werden in den Kinderzimmern kleine künstliche Eisflächen zum üben der Biellmann-Pirouette angelegt.
Egal wie sie es auch anstellen, sie können es einfach traumhaft gut.
Und es gibt soviele von diesen Eisballerinas, daß sogar gleich auf 2 Fernsehkanälen gleichzeit die in Deutschland sogenannte Show "Stars on Ice" läuft. Samstags zur Primetime wohlgemerkt!
Und da ich ja seit Kati Witt bekennender und sehr ausdauernder Eiskunstlauffan bin (ja, ich gucke auch die Gruppen bei Olympia, in denen die Looser laufen) habe ich mir gestern eine dieser Shows angetan.
Diesmal war das Thema "Der Soldat und das Mädchen". Schwere klassiche Klänge und Kostümuniformen prägten den Abend. Anton Sicharulidse (Olympiasieger im Paarlaufen) saß in der Jury, genauso wie Tatjana Tarassowa, DIE Eiskunstlauftrainerin schlechthin. Ilja Averbuch trainierte die Showläufer.
Irina Sluzkaja, Tatjana Nawka und Roman Kostomarow tanzten und schmachteten zur Musik.
Geballte Eiskunstlaufkunst in höchster Vollendung, ja, er war wirklich schön, dieser Fernsehabend.
Aber noch schöner war der Donnerstag. Denn da lief ER live in Tjumen, der mehrfache Weltmeister und Olympiasieger Evgeni Plushenko.
Mit seiner Ice-Show war er im Eishockeystadion zu Gast und gab mit seinen Eislaufkollegen 2 Stunden feinstes Tanzprogramm zum Besten. Weiß Gott, der Typ ist nun wirklich nicht der Schönste, aber sein Sexbomb-Tanz hatte sich einfach in mein Hirn gebrannt und er hat ihn wieder getanzt. Wie damals, vor zig Jahren im Showprogramm irgendeiner WM.
Schauerlich schön.
Schauerlich komisch waren auf der anderen Seite die Sicherheitsvorkehrungen in der Eishalle.
Aus Angst, die Sexbombe könnte aufgrund einer hysterischen Anhängerin explodieren, wurden wir Zuschauer bewacht. Von viel Polizei in Vollschutzausrüstung. Helm, Schlagstock, selbst Schienbeinschützer trugen sie. Hm, vielleicht dachten die Veranstalter, die Eisläufer ändern ihr Programm und wollen lieber Hockey spielen. Keine Ahnung.
Auf jeden Fall fühlte ich mich sicher, aber was hätte bei 80% Mädchen und älteren Damen mit Fellhut schon passieren sollen? Die paar Männer, die mit waren, hatten sicher keinen Elan bei klassischer Geigenmusik zu pöbeln.
Wie dem auch sei, mein Motto für diesen Winter lautet: Schlittschuhe raus und rauf auf die gefrorenen Tümpel und Eisflächen der Stadt.
Und wenn ihr jemals die Möglichkeit habt eine Eisshow zu sehen, dann macht das! Es ist zig-mal schöner als im Fernsehen. Es ist herrlich!


Und zum Abschluß noch die Sexbombe. (um Nachfragen zu entgehen...das issn Kostüm)




Liebe Grüße aus dem langsam vereisenden Tjumen
Claudi (der Kai ist nach Diktat ver(r)eist)

Dienstag, 4. November 2008

Flieger...grüß mir die Sonne...

Sodalla...da sind wir wieder.
Nach einer sehr schönen Hochzeit (nein...nicht wir!) und gefühlten 24 Stunden Rückflug sind wir wieder in Sibirien.
Ja, es war wieder schön zu Hause und wir freuen uns immer wieder, wenn wir unsere Daheimgebliebenen (welch schönes Wort) mit gutem Tjumener Wodka und noch besserer Tjumener Schokolade versorgen können.
Wie gesagt, der Rückflug war dafür leider etwas anstrengend.
Von Berlin nach Moskau zu fliegen ist recht angenehm. Besonders wenn man in der gehobenen Economy-Class sitzen darf und ringsrum mindestens 2 Sitzreihen frei sind. Zugegeben, der Flug war nicht unbedingt unterbesetzt, in der normalen Eco-Class haben die Passagiere die Ellenbogen des Nachbarn im Essen gehabt. Aber was solls...uns gings ja gut *hihi*
Und dann waren wir am Moskauer Flughafen Domodedovo. Er ist anscheinend das Hermsdorfer Kreuz der Ivans. Dementsprechend illustre Reisegäste findet man dort und dementsprechend genau nehmen es die Moskauer mit der Sicherheit.
6 Pass- und Board-Karten-Kontrollen sind da schon auszuhalten.
Also ich würde das ABM-Maßnahme nennen, der Check-In und die reguläre Passkontrolle vor dem Durchleuchten sind da ja schon mit eingerechnet.
Aber es kann ja auch passieren, daß auf den 2 Metern zwischen Boarding und Eintritt in den Tunnel zum Flieger wie auf wundersame Weise meine Boardkarte zu Schokomoussee zerschmilzt und mir ein Bart wächst. Und deshalb ist vorbeugen besser als auf die Schuhe pinkeln...oder so.
Das Highlight auf dem Moskauer Flughafen ist aber der Nacktscanner. Jahaaa...lecker...nicht wahr? Manch Herr hat da sicher schon mal absichtlich 2 Minuten länger hinterm Fernseher gestanden und gelunscht. Aber schick siehts nicht aus, da kann ich unseren männlichen Lesern gleich den Wind aus den Segeln nehmen. Es ist wirklich nur wie im Fernsehen.
Aber wie gesagt, sie nehmen es genau mit den Kontrollen und so wurde auch der gute hausgebackene Stollen von Mutti gefilzt. Ja Mama, ich mußte ihn nackig machen, aus seinem schönen Bett aus Stollentüte, Baumwolldecke, Plastiktüte und Fleecejackenumwickelung rausholen und dieses lecker duftende Naschwerk einer russischen Flughafenpolizistin vor die Nase halten.
Und sie hat nur abfällig draufgeguckt und wieder weg. tse

Nun gut, nach 5 Stunden Hintern-breit-sitzen ging es dann weiter nach Tjumen. Der Flieger war genau das Gegenteil zu TransAero von Berlin nach Domodedovo.
Er stank, war alt, klein, schmutzig, voll und gar nicht lustig. Und das Essen...ja das Essen...sie haben einfach nicht die besten Köche bei Utair. Mehr gibts zu diesem Trip auch nicht mehr zu sagen.

Tschüß und eine angenehme Restwoche wünschen Claudi & Kai