Donnerstag, 31. Juli 2008

Верхний Бор – Oberer Nadelwald



„Werchni Bor“ ist ein Kleinod.
Es gibt viele dieser Sorte in der Tjumener Umgebung, aber laut unseren Kollegen sei dieses das Beste.
Hinter „Werchni Bor“ verbirgt sich eine Naherholungsinsel mitten im Wald, ca. 20km nördlich von Tjumen. Es liegt direkt an einem See und bietet alles, was das russische, erholungsbedürftige Herz begehrt.
Der Besucher hat die Wahl zwischen dreierlei Dach über dem Kopf.
Der betuchten russischen Oberschicht wird ein teures Hotel mit Freiluftwarmwasserbecken angeboten. Die partyfreudige Jugend erwartet eine wacklige, hölzerne Jugendherberge im Pionierlagerstil.
Und für die Wochenendgäste, so wie wir sie waren, stehen noch kleine, schicke Holzhütten zum Vergnügen bereit. Natürlich geht’s dabei nicht so geordnet zu wie auf deutschen Campingplätzen, wo jeder Trampelpfad seinen eigenen Namen trägt und die Stellplätze mit dem Winkel ausgerichtet wurden.
Nein, wir sind schließlich in Russland und da stehen halt die Hüttchen grad so, wie und wo sie gebaut worden.
Meine Favoriten waren allerdings die Grillpavillons , welche für die ungestörte Geselligkeit sogar abschließbar sind.
Vor jeder dieser Partyinseln ist ein einfacher aber effektiver Grill installiert, der von jedem genutzt werden kann. Die meisten qualmen schon morgens halb 10, gleich zum ersten Frühschoppenwodka.
Der Gast bringt also nichts weiter mit als viel Schaschlik, die dazugehörigen Spieße und Holzkohle, Zwiebeln und Brot, Wodka und Pivo und ne ganze Menge Mückenspray.
Ein paar Badesachen fürs kühle Nass und die passende Abendgarderobe für die Teeniedisko.

Auch das Freizeitangebot ist enorm. Der See und das damit verbundene Planschen und Schwimmen ist die eine Sache, der Wald ist eine andere.
Gegen ein gewisses Entgeld ist fast alles möglich. Hochseilgartenklettern in Miniformat, Bogenschießen und Quadfahren. Sogar Paintball für den kampfwütigen Russki ist dabei.
Und da wir in Sibirien sind, darf die Kunsteishalle im Hochsommer auch nicht fehlen. Wir sollen doch nicht vergessen, wie der Winter schmeckt, wenn´s uns im Bikini aufs Eis packt.

Und apropos Winter, für diese lange dunkle Jahreszeit sind große Holzrutschen gebaut worden. Die sind dann im Winter vereist und man kann aus luftiger Höhe vollen Speed über den Strand auf den zugefrorenen See fetzen. Herrlich! Da will ich wieder hin!

Und was haben wir am letzten Wochenende genutzt? Ein Haus, die Banja, einen Pavillon und einen Grill (in Dauerbenutzung), den See und ein Ruderboot. Nicht mehr und nicht weniger.
Wir waren nach den 2 Tagen mehr kaputt als vorher, aber das muß auch so sein.
Und Bilder sagen mehr als tausend Worte, also höre ich hier auf. Nur soviel, kompromittierende Bilder für alle Beteiligten lasse ich weg!

Liebe Grüße aus Tjumen
Claudi & Kai


Montag, 21. Juli 2008

Zirkeltraining



Wenn Russen baden gehen, gleicht dieses Unterfangen dem Kampf der Kunden am 1. Tag des Sommerschlussverkaufes bei Karstadt im Erdgeschoss.

Man stelle sich einen Baggersee vor.
Groß, klares blaues Wasser, zu fast allen Seiten gesäumt von einem breiten Strand. Nein, kein feiner Ostseesandstrand. Feinstaub kommt diesem Material schon näher. Dieser Strand ist wiederrum von einem weitreichenden Wald gesäumt, nur unterbrochen von einer holprigen engen Straße. Eine Idylle, möchte man meinen.
Auf dem Weg dorthin fällt Frau kurz vor Ankunft im Naherholungsgebiet ein Schild „Wellness Center“ auf. Hui, denkt sie sich, wenn die Gegend schick ist, wäre das doch mal ein prima Anlaufpunkt im Winter, um die gestreßte Seele zu kurieren.

Die ersten Russen des Tages kommen nun gegen 10 zu diesem Kleinod und schon beginnt für sie ein anscheinend gewohntes Zirkeltraining. Die Startaufgabe ist die gefühlvolle Umrundung oder auch Überhüpfung diverser, planlos platzierter Müllhaufen ihrer Vorgänger des vorangegangenen Badetages. Diese Aufgabe ist leicht zu lösen, die Haufen liegen in 5 Meter Entfernung zueinander und ihr Durchmesser beträgt ca. 50cm. Kein Problem für die Frühbader. Weiter geht es über künstlich aufgeschüttete Sandhaufen und durch Furchen vergangener Autoreifen bis hin zum Ufer des Sees. In dieser Zeit ist mittels fachmännischen Blicks eine Schaschlikgrillstelle in der vermeintlich besten Lage auszumachen. Endlich am Platz ihrer Träume angekommen, werden Matratzen, Sessel, Betten, Matten, Laken und weiteres Liegematerial ausgepackt und direkt neben das Auto gelegt. Hinzu kommen noch der halbe Inhalt des Kühlschranks und eine Stereoanlage, falls das Autoradio nicht mehr als ein Viertel des Strandes übertönt.

Die zweite Garde Russen, welche sich erst gegen Mittag aufmachen, ihr Naherholungsdomizil zu besuchen, hat schon schwierigere Aufgaben in ihrem Zirkeltraining zu bewältigen. Neben der nicht leichter werdenden Umrundung der Müllhaufen kommen nun noch offene Feuerstellen und fahrbare Untersätze aller Art als Hindernisse hinzu. Auf jeden zweiten Wagen kommt ein Schaschlikgrill, welcher mit sicherem Grillgeschick immer in die richtige Stelle gestellt wird…natürlich mitten in den Weg.
Da sich Russen aber nie mit der zweiten oder dritten Reihe zufriedengeben, besteht nun die Kunst des Hindernislaufes darin, sich an die vorderste Front aller Badegäste zu schieben. Und so drängeln und schieben sie sich mit ihren Geländewagen durch die sonnende Masse, in der Hoffnung auch nachmittags um 3 Uhr den 1. Platz am Wasser zu bekommen. Es geht über Badematten, fast schon über Füße, vorbei an Tubberdosen voller frischem Salat (so eine Prise Diesel tut der Gewürznote ganz gut), direkt vor die Nase von Familien, welche sich über einen kurzen und schmerzlosen Weg zum Wasser gefreut hatten. Und damit jeder weiß, wer gerade die Pole-Position ergattert hat, blasen deren Radios den russischen Techno besonders laut über die Wellen des Kiesgrubenmeeres.
Aber es gibt immer noch einen, der mithalten kann. Nämlich die kleine Open-Air Bühne auf der anderen Seeseite, welche ab Mittags um 12 ihr Bestes tut, im ganzen Erholungsgebiet Aufmerksamkeit zu finden. Hinzu kommen noch Wasserskiaktivitäten und diverse Hunde, denen irgendwann alles zu viel wird.

So sitzt man da, als Zaungast, und beobachtet und denkt.
Sieht Hühnerbrüstchen, welche sich neben Bierflaschen und Wassermelonenresten grillen und dicke Goldketten, die auf der Sandbank im See Pose stehen.

Und bei der Rückfahrt denkt Frau sich, daß die verrostete Rutsche in den See nicht gut für eine rosig gepflegte Haut wäre und vergißt ganz schnell das Wellness-Center in der russischen Idylle.

(und von den kleinen fliegenden Ungeheuern erzähle ich lieber nichts..wir wollen ja noch Besuch bekommen *grins*)
Liebe Grüße aus Immer-Noch-Hochsommer-Sibirien
Claudi & Kai

Samstag, 12. Juli 2008

Subotnik im Hochsommer

Hallo!
Ich nehme mir grad eine kleine Pause und schicke hitzige, schwitzige und klebrige Grüße ins (laut Online-Wetterbericht) kühle Deutscheland.
Seit dem großen Guß ist es nur noch heiß und schwül.
Es gibt ja Menschen, zu denen ich mich auch zählen darf, die relativ wenig schwitzen.
Und wenn, dann auch nur recht gemäßigt.
Andere wiederum, sehen morgens um 9 Uhr bereits aus als hätten sie geduscht und sich nicht abgetrocknet. Schlimmer noch, als trugen sie eine Dusche im Haaransatz und der Wasserhahn trietschelt permanent vor sich hin.
Unser Subotnik im Büro zieht sich auch dementsprechend hin. Die Hitze macht das Hirn matschig und meine Tagescreme wurde bereits gegen 10 Uhr aus den Poren geprügelt.
Ich freue mich schon auf die Dusche und ich wünsche mir diesmal, daß das Wasser nicht warm ist!

So, ich werkel weiter. Kai lümmelt ja grad wieder in Kiel rum und kühlt sich ab.
Mal sehen wie lange der Sommer hier noch anhält.

Liebe Grüße aus Hochsommer-Tjumen
Claudi :o)

Donnerstag, 3. Juli 2008

Land unter in Tyumen


Hallo!
Wir sind wieder in Russland.
Nach unzähligen Bismarckfischsemmeln, Bratwürstchen, Erdbeerbowlegläsern und Bierchen sind wir wieder auf dem Boden der Tatsachen zurück gekommen. Es war wunderbar in Kiel, sonnig, salzig, laut. Alles was wir brauchten!

Hier ist dagegen Land unter. Seit heute nacht regnet es unaufhörlich. Es gießt, es schüttet, es nieselt, es pieselt. Wie auch immer, es kommt immer mehr Wasser vom Himmel. Tjumen ist mal wieder eine einzige riesen Pfütze.
Auf den Straßen bekommen die Autofahrer zur Zeit eine Unterbodenwäsche gratis, bis zu den Scheiben hoch. Fußgänger leben gefährlich auf feuchtem Fuß und heute nachmittag um 14 Uhr wurde im Büro der Strom abgestellt. Man will wohl so der Röstung einiger Mitarbeiter vorgreifen. Unsere WC´s standen schon lange unter Wasser, kleine Wasserfälle suchten sich ihren Weg durch Fensterritzen und Deckenverkleidungen und plötzlich gabs nen lauten "Faatsch". Eine Deckenplatte war es leid immer mehr Feuchtigkeit für den blassen Teint aufzunehmen und schob mühelos ihre aufgeweichte Masse aus der Halterung. Jetzt fristet sie ihr schwammiges Dasein aufm Müll.

Und zur Veranschaulichung der sibirischen Flut gibts hier ein paar Augenzeugenfotos von der Baustelle!
Kieler Woche Fotos werden privat verteilt ;-)

Liebe Grüße aus der Nasszelle Tjumen
Claudi & Kai